Kontakt:

Jenke Nordalm
Johannesstr.20
70176 Stuttgart

  • Foto Arno Declair  » Click to zoom ->

    Foto Arno Declair

  • Foto Arno Declair  » Click to zoom ->

    Foto Arno Declair

Und auch so bitterkalt

von Lara Schützsack

Junges DT. Uraufführung 26.09.14

Inszenierung: Jenke Nordalm 

Ausstattung: Juliane Grebin

Mit: Valerie Oberhof, Katharina Schenk

 

Pressestimmen 

Selten ist so radikal über Pubertät geschrieben worden, selten hat jemand für die Gratwanderung jener Jahre eine so drastische Sprache gefunden wie Lara Schützsack. Lucinda spielt mit den Jungen, die sich zu ihr hingezogen fühlen. Sie scheint den Machtkampf mit der Mutter um die Einhaltung von Erziehungsregeln zu genießen. Doch an ihren dunklen Tagen kommt sie gar nicht aus ihrem Zimmer. Und sie stellt das Essen ein. Der Leser ergreift Partei und fühlt sich abgestoßen, verwickelt sich in dieser Geschwisterbeziehung, findet sein eigenes Verhältnis zu den Eltern, zum Therapeuten, zur Lehrerin. In der Stückfassung des Jungen DT entwickelt sich das vor den Augen der jugendlichen Zuschauer. Die Mädchen und Jungen hinter den Schulbänken gehören irgendwann zur Geschichte dazu. "Schau dir doch die anderen Mädchen in Lucindas Alter an!", sagt die Mutter und weist ins Publikum. Eben war Valerie Oberhof noch Lucinda selbst, nun hat sie rote Klebestreifen-Fetzen an den Ohren, moduliert die Stimme anders. Mehr braucht sie nicht, um die Mutter zu sein. Und Katharina Schenk klebt sich einen roten Streifen unter die Nase. Das ist im Moment lustig. Aber sie spielt jetzt den Vater, zu sagen hat sie da nicht viel... Wenn die Schauspielerinnen sich durch die engen Reihen quetschen, sich auf Tische legen, den nassen Schwamm an die Tafel schleudern, Butterbrote verteilen, dann hört man kein verschämtes Kindergekicher, sondern echtes Staunen oder Erschrecken. Der Text entfaltet seine Wirkung unmittelbar...Sie strahlen beim Sprechen, sie singen mit Seele, und wenn Oberhof die Lucinda gibt, dann knatscht sie so auf ihrem Kaugummi herum, als wäre das eine Protestdemonstration. Keine der beiden ist so dünn, dass man sie der Magersucht verdächtigen würde, aber als Malina von den Rippen und der Haut Lucindas spricht, glaubt man ihr, was sie sieht. Der Funke muss hier nicht von der Bühne in die Zuschauerreihen springen. Wenn der Text was taugt, die Regie Raum und Publikum mitdenkt und die Akteure ihre Handwerk verstehen, dann knistert es ringsum. So wie diesmal. 

Berliner Zeitung 29. September 14

 

Lucinda isst kaum noch. Warum, das kann man nur ahnen - sie ertrüge die Geräusche beim Essen nicht, heißt es einmal. Vor allem aber fühlt sie sich unverstanden. Sie rebelliert gegen die Erwachsenen, gegen die Gesellschaft, gegen das Leben an sich. Sie hat dunkle Tage und helle. Mal zieht sie sich weinend zurück, mal bezaubert sie ihre Umwelt mit ihrem leuchtenden Wesen. Von Jungen, die sich in sie verlieben, verlangt sie Mutproben. Wirkliche Nähe lässt sie nicht zu... Jenke Nordalm hat das Stück inszeniert. Die Schauspielerinnen spielen nicht nur vorn an der Tafel, sondern klettern auch über Tische und Bänke. Den Kaugummi, den Lucinda immer kaut, um keinen Hunger zu bekommen, kleben sie einfach an die Wand... Warum ist Lucinda, wie sie ist? Warum redet sie nicht mit ihren Eltern? Warum hungert sie, bis der Krankenwagen kommt? Die Inszenierung lässt viele Fragen offen. Gerade das macht sie so spannend und wirkungsvoll... Jenke Nordalm lässt die zwei Darstellerinnen erzählen, wie Lucinda immer dünner wird, wie ihre Knochen hervortreten und die Schulterblätter schon fast wie Flügel wirken. Die Dramatik steigert sich, als die beiden einen Klappkalender umblättern, auf dem von 10 bis Null gezählt wird. Am Ende des Countdowns steht der Notarzt vor der Tür. Ob Lucinda überlebt, bleibt offen.

RBB-Kulturradio 28. September 14